Grundlagen traumaspezifischer Beratung und Therapie

Es gibt nicht nur viele verschiedene Arten von Therapien, es gibt inzwischen auch viele verschiedene Arten von Traumatherapien. Diese unterscheiden sich in ihrer Vorgehensweise zwar zum Teil erheblich, aber es gibt zwei wichtige Grundzüge, die sich in allen seriösen traumaspezifischen Behandlungsverfahren finden lassen:

1. Betonung der Beziehung zwischen Therapeut und Klient

Eine gute und tragfähige Beziehung zwischen Helfer und Hilfesuchenden gilt als das zentrale Element jeder Traumatherapie, da man sich nur in einem Klima zwischenmenschlicher Sicherheit und Verlässlichkeit mit zutiefst verunsichernden Erfahrungen erfolgreich auseinandersetzen kann.

2. Therapeutisches Vorgehen im Dreischritt:

Stabilisierung – Traumabearbeitung – Integration

Dieses Prinzip geht auf Janet (1889), einen frühen Pionier der Traumatherapie, zurück.

In der Stabilisierungsphase als erste Phase des therapeutischen Prozesses geht es darum, die Person zu stärken und ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zurückzugeben, um ein Gegengewicht zu schaffen zum traumatischen Ereignis, das durch das Erleben von Ohnmacht und Hilflosigkeit gekennzeichnet war. Stabilisierung bezieht sich auf die körperliche Ebene (dazu zählen z. B. schrittweises Herstellen eines gesunden Körpergefühles), die soziale Ebene (z. B. Unterbindung von Täterkontakt, Hilfestellungen bei der Mobilisierung finanzieller Unterstützung) und die psychische Ebene (z. B. Techniken zum Schutz vor der Überflutung durch traumatisches Material sowie Techniken der Selbstberuhigung; hier haben sich besonders imaginative Verfahren bewährt, also solche, bei denen der Klient mit der Vorstellung und Phantasie arbeitet.).

In der Traumabearbeitung (Traumaexposition) steht die Auseinandersetzung der Person mit den konkreten traumatischen Erfahrungen im Vordergrund. Ziel dabei ist, dass die traumatischen Erinnerungsfragmente (Bilder, Töne, Gefühle etc.) zusammengefügt und in den richtigen Erinnerungsspeicher überführt werden können, so dass das Erlebte nicht mehr als gegenwärtig, sondern als Vergangenheit erinnert wird.

Da die Beschäftigung mit den traumatischen Erfahrungen je nachdem sehr belastend sein kann, muss sicher gestellt sein, dass der Klient in einer äußerlich stabilen Situation lebt (d. h. vor allem: kein Täterkontakt, keine privaten oder gesundheitlichen Krisen, Vorhandensein sozialer Unterstützung), und dass er in der Lage ist, traumatische Erinnerungen zuverlässig zu kontrollieren und fürsorglich und liebevoll mit sich selbst umzugehen. Nur so ist ein möglichst schonender Prozess der Traumabearbeitung möglich und der Klient vor Retraumatisierungen weitgehend geschützt.

Klienten, die ein einmaliges Trauma erlebt haben, können sich in der Regel rascher der Aufarbeitung des Ereignisses widmen, als vielfach Traumatisierte. Für einige sehr schwer traumatisierte Menschen kann eine Traumabearbeitung auch kontraindiziert sein; in diesen Fällen beschränkt sich das Therapieziel darauf, den Klienten so zu stabilisieren, dass er die traumatischen Erinnerungen unter Kontrolle halten und seinen Alltag somit gut bewältigen kann.

Während die Stabilisierung durchaus in Gruppensettings gefördert werden kann, ist für die Traumadurcharbeitung grundsätzlich ein einzeltherapeutisches Setting vorzuziehen. Es ist nicht hilfreich, sogar schädlich, wenn sich schwer belastete Menschen die belastenden Geschichten anderer anhören müssen.

Traumatische Erfahrungen lassen sich nicht einfach abschütteln, denn sie sind Teil der eigenen Geschichte. In der Integrationsphase geht es daher um die Integration des Erlebten in den eigenen Erfahrungskontext einerseits und um Neuorientierung andererseits.

Bei schweren Traumata stehen hier oftmals Themen wie Trauern und Abschiednehmen (z. B. von einer bestimmten Lebensphase), der Aufbau förderlicher sozialer Beziehungen und der Erwerb neuer Fähigkeiten (z. B. Konfliktfähigkeit, Kompetenzen zur Alltagsbewältigung) im Vordergrund.