Überblick zu traumaspezifischen Therapieverfahren

Nachfolgend werden verschiedene traumatherapeutische Ansätze beschrieben, wobei es sich selten um sog. Reinformen handelt. In den letzten Jahren ist ein Aufweichen der strengen Grenzen der einzelnen Schulen und somit eine zunehmende Methodenintegration zu beobachten. Die meisten traumaspezifisch geschulten Therapeuten arbeiten daher heute mit den Prinzipien unterschiedlicher Therapieansätze. Wenngleich diese gegenseitige Methodenübernahme wissenschaftstheoretische Probleme aufwirft, so hat sie sich in der konkreten therapeutischen Arbeit mit traumatisierten Menschen jedoch als besonders hilfreich erwiesen.

Psychodynamische Traumatherapie

Ausgangspunkt psychodynamischer traumatherapeutischer Ansätze ist die Erfahrung, dass traumatische Erinnerungen vergessen, verdrängt oder abgespalten werden, um das mit ihnen verbundene seelische Leiden vom bewussten Erleben fernzuhalten. Psychodynamische Traumatherapien (z. B. Horowitz, 1986; Lindy, 1993, 1996) stellen dem entsprechend das therapeutisch gestützte Wiedererinnern in den Vordergrund, um auf diese Weise ein Überwinden der traumatischen Erfahrung, ihre Integration in die Entwicklung der Persönlichkeit und somit die Herstellung einer biographischen Kontinuität ohne blinde Flecken zu ermöglichen (Flatten, Wöller & Hofmann, 2001). Fischer (2000) entwickelte ein modifiziertes psychoanalytisches Verfahren („Mehrdimensionale Psychodynamische Traumatherapie; MPTT), das explizit methodenintegrativ arbeitet.

Zur Wirksamkeit rein psychodynamischer Traumatherapien liegen bislang nur wenige Studien vor; die meisten davon konnten keine beständige Verringerung psychotraumatischer Symptome zeigen (van der Kolk, McFarlane & van der Hart, 2001). Eine Ausnahme bilden die Studien von Brom und Kleber (1989) sowie von Gersons und Carlier (1994).

Kognitiv-behaviorale Verfahren

Der Schwerpunkt kognitiv-behavioraler Verfahren liegt auf der Behandlung von vermeidenden und angstbetonten Verhaltensmustern. Zu unterscheiden sind dabei im wesentlichen drei verschiedene Vorgehensweisen:

  • Desensibilisierungstechniken zielen darauf ab, durch eine gestufte oder überflutende Reizkonfrontation (in der Realität oder in der Vorstellung) eine körperliche und psychische Anpassung an das traumatische Erleben zu ermöglichen. Insbesondere die überflutende Reizkonfrontation ist aufgrund der hohen Retraumatisierungsgefahr außerordentlich kritisch zu bewerten.
  • Verfahren zur Angstbewältigung (z. B. Entspannungstechniken, Stressimpfungstraining) dienen der Vermittlung von Strategien zur Angstkontrolle, um das Angstniveau zu reduzieren und Übererregungssymptome zu kontrollieren.
  • Das Ziel kognitiver Techniken der Traumabehandlung ist das Erarbeiten einer angemessenen Sinn- und Bedeutungszuschreibung des Geschehenen. Zur Erreichung dieses Zieles geht es u. a. darum, Worte für das Erlebte und die begleitenden Gefühle zu finden sowie automatisch auftretende negative Gedanken zu verändern.

Die Befunde zur Wirksamkeit rein kognitiv-behavioraler Verfahren sind heterogen und abhängig von der Art des gewählten Verfahrens bzw. von der Kombination kognitiv-behavioraler Behandlungselemente. Nach einer Meta-Studie von van Etten und Taylor (1998) ergibt sich für kognitiv-behaviorale Therapien jedoch insgesamt eine gute Wirksamkeit hinsichtlich der Reduktion psychotraumatischer Symptome, die auch in Nachuntersuchungen erhalten bleibt.

Imaginative Verfahren

Imagination wird zumeist als bildliches bzw. bildhaftes Vorstellen verstanden, jedoch kann sich die Imagination auf sämtliche Sinnesqualitäten beziehen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen).

Ausgangspunkt imaginativer Verfahren ist die Erkenntnis, dass traumatische Erinnerungen im Gehirn weniger sprachlich repräsentiert sind als vielmehr in Form von Sinneseindrücken (z. B. als Bild, Geruch, Geräusch oder Körperempfindung). Imaginative Verfahren knüpfen an diese spezielle Repräsentation des traumatischen Materials an und werden sowohl in der Phase der Stabilisierung als auch in der Traumadurcharbeitung eingesetzt. In der Stabilisierung lernt der Klient zunächst, den inneren negativen Bildern des Traumas nur gute innere Bilder entgegenzusetzen (Reddemann & Sachsse, 1997). Vor dem Hintergrund dieser Ressource findet in der Traumadurcharbeitung eine dosierte Annäherung an das Trauma statt – etwa, indem der Klient sich das traumatische Ereignis (bzw. einen bestimmten Teil davon) auf einem vorgestellten Bildschirm betrachtet, den er mit Hilfe einer speziellen Fernbedienung regulieren kann. Auf diese Weise ist es dem Klienten möglich, die Konfrontation zu steuern und die damit verbundene gefühlsmäßige Belastung zu kontrollieren bzw. auf einem beherrschbaren Niveau zu halten.

Kontrollierte Studien zur Wirksamkeit rein imaginativer Verfahren bei Traumatisierten liegen nicht vor. Die klinischen Erfahrungen mit dieser Vorgehensweise bei traumatisierten Menschen waren und sind jedoch so ermutigend, dass sie inzwischen nicht nur ein selbstverständliches Element in allen traumatherapeutischen Ansätzen sind, sondern auch zur Konzeptualisierung und Ausarbeitung eines eigenständigen Behandlungsverfahrens („Psychodynamisch-imaginative Traumatherapie”; PITT) geführt haben (Reddemann & Sachsse, 2000).

Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)

„Eye Movement Desensitization and Reprocessing” heißt wörtlich übersetzt soviel wie „Augenbewegungs-Desensibilisierungs-und-Durcharbeitungs-Methode“. Da diese Übersetzung gegenüber dem englischen Originaltitel keine wesentliche Erleichterung darstellt, hat sich inzwischen nahezu überall die Abkürzung EMDR durchgesetzt.

Die Methode wurde zur Behandlung von Traumastörungen 1989 erstmals von Shapiro beschrieben und mittlerweile zu einem manualisierten Behandlungsverfahren weiter entwickelt. Es integriert psychodynamische, imaginative und kognitiv-behaviorale Elemente und wurde in Deutschland vor allen Dingen durch Hofmann (1996, 1999) populär gemacht.

Kernstück der EMDR-Methode ist, dass der Klient sich auf bestimmte Teile der traumatischen Erinnerung konzentriert und gleichzeitig, den Fingerbewegungen des Therapeuten folgend, die Augen rhythmisch nach links und rechts bewegt. Der hierdurch einsetzende entlastende Verarbeitungsprozess ist auch mit anderen Formen der bilateralen Stimulation (z. B. wechselseitiges Tippen auf die Handrücken, wechselseitige Töne in beide Ohren) induzierbar.

Es liegt eine vergleichsweise große Zahl kontrollierter Studien zu EMDR vor, so dass es derzeit als das wissenschaftlich am besten abgesicherte traumaspezifische Verfahren angesehen werden kann. Obgleich im Zusammenhang mit EMDR vielfach deutliche und nachhaltige Symptomverbesserungen nachgewiesen worden sind (s. Meta-Studien von Cahill et al., 1999; Shepherd et al., 2000), so ist der Wirkmechanismus des Verfahrens bislang aber nicht eindeutig geklärt. Diskutiert werden u. a. physiologische Informationsverarbeitungsprozesse, die denen während des REM-Schlafes (sog. Traumschlafphase, in der Tageseindrücke verarbeitet werden) ähneln (Stickgold, 1998).

Unter dem nachfolgenden Link finden Sie einen kurzen Informationsfilm zu EMDR.

Ansätze der Energetischen Psychologie

In jüngster Zeit machen verschiedene Therapieformen der sog. Energetischen Psychologie auf sich aufmerksam. Diese energetischen Therapieansätze basieren im wesentlichen auf den Erkenntnissen der fernöstlichen Medizin und stellen die Arbeit an und mit den sog. Meridianen (Energiebahnen des Körpers) in den Vordergrund. Ausgehend von der Annahme, dass der Ursprung emotionaler Probleme in einer Störung des körpereigenen Energiesystems liegt, wird durch Stimulation der jeweiligen Akupunkturpunkte auf den betroffenen Meridianen der ungehinderte Energiefluss wieder angeregt und die psychische Störung somit gelindert oder aufgelöst.

Integriert werden dabei Techniken der Klopfakupressur, der Kinesiologie (insbesondere aus der EDU-Kinesiologie, die u. a. der Gehirnbalancierung dient), des EMDR, der Hypnotherapie und des Neurolinguistischen Programmierens (NLP). Zu diesen neuesten Traumatherapieformen gehören z. B.: Emotional Freedom Techniques (EFT; Graig, 1993); Thought Field Therapy (TFT; Callahan 1994a, 1994b); Energy Diagnostic and Treatment Methods (EdxTM; Gallo, 1997b) und die Psycho-Kinesiologie (PK; Klinghardt, 2003).

In den USA und in England sind diese Therapieansätze bereits relativ populär, und es werden – überwiegend in Form von Fallberichten – sehr gute Erfolge in der Behandlung psychotraumatischer Syndrome berichtet. In jüngster Zeit ist in den USA mit der wissenschaftlichen Erforschung dieses Feldes begonnen worden, und es liegen erste größere Studien mit ermutigenden Ergebnissen vor (F. Gallo, mündl. Mitteilung, 24.08. 2003).

Körper- und Ausdrucksorientierte Verfahren

Insbesondere schwere und wiederholte Traumata (z. B. bei Folteropfern, Opfern frühkindlicher sexualisierter Gewalt) führen bei den Betroffenen nicht nur zu einer dauerhaften vegetativen Übererregtheit, sondern häufig auch zu gravierenden Veränderungen des Körpererlebens und der Gefühlswahrnehmung, in deren Folge u. a. chronische Schmerzzustände, selbstverletzendes Verhalten und Somatisierungsstörungen auftreten können.

Körperstörungen dieser Art sind mit verbalen Techniken allein oft nicht zu beeinflussen; in vielen stationären und teilstationären Settings wird daher parallel zur Kerntherapie mit Verfahren gearbeitet, die speziell der Verbesserung der Körper- und Gefühlswahrnehmung dienen. Das Spektrum der Möglichkeiten ist dabei sehr groß und reicht von der konzentrativen Bewegungstherapie und fernöstlichen Bewegungsmeditationen wie Qigong über spezielle Atemübungen, Massagetechniken und aromatherapeutische Anwendungen bis hin zu Möglichkeiten des kreativen Ausdrucks in Malerei, Musik, Tanz oder Spiel.

Wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit solcher Verfahren bei Traumastörungen liegen nicht vor, jedoch kommt ihnen aufgrund klinischer Erfahrungen ein hoher Stellenwert zu, um körperliche Integrationsprozesse zu fördern.

Gruppentherapie

Bei der Gruppentherapie handelt es sich nicht um eine bestimmte Therapierichtung, sondern um ein therapeutisches Setting, bei dem im Gegensatz zur Einzeltherapie eine Gruppe belasteter Menschen zusammen behandelt wird. Am häufigsten werden kognitiv-behaviorale und psychodynamische Gruppentherapien durchgeführt.

Alle Erfahrungen verweisen darauf, dass im Zusammenhang mit psychotraumatischen Störungen gruppentherapeutische Settings zwar zur Stabilisierung, nicht jedoch zur Traumadurcharbeitung geeignet sind – egal, um welche Therapierichtung es sich handelt. Der Grund dafür ist, dass die Traumakonfrontation in bzw. vor der Gruppe zur affektiven Überflutung und Retraumatisierung nicht nur des Betroffenen, sondern insbesondere der anderen, selbst schwer belasteten Gruppenmitglieder führen kann. Diese haben dann nicht mehr nur ihre eigene Traumastory zu tragen, sondern die der anderen noch dazu. Traumatherapie aber soll entlasten und nicht belasten – schließlich kommt auch niemand auf die Idee, einem mit schwerem Gepäck beladenen Pferd noch mehr Gepäck aufzuladen in der Annahme, das täte ihm gut und brächte es schneller den Berg hinauf …

Pharmakotherapie

Psychopharmaka erlauben keine ursächliche, sondern lediglich eine symptomatische Behandlung einzelner psychotraumatischer Beschwerden. Psychopharmaka können sinnvoll sein bei akuten Krisen, zur begleitenden Behandlung (z. B. bei Schwertraumatisierten in der Frühphase einer Therapie) und bei zusätzlichem Vorhandensein bestimmter psychiatrischer Störungsbilder.

Speziell zur Behandlung psychotraumatischer Symptome liegt eine Vielzahl kontrollierter Studien vor. Eine gute pharmakologische Wirksamkeit, allerdings nur für die Dauer der Behandlung und nicht darüber hinaus, ist in jüngster Zeit für eine spezielle Untergruppe der Antidepressiva, die sog. Selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI) nachgewiesen worden (van Etten & Taylor, 1998; Gottlieb, 1999; Henney, 2000).

Leider werden bei traumatischen Störungen noch viel zu häufig Psychopharmaka verschrieben, die ungeeignet bzw. kontraindiziert sind. Dazu zählen insbesondere hochpotente Neuroleptika (z. B. Haldol, Imap) sowie Benzodiazepine vom Tranquilizertyp (z. B. Valium).